Ewige Freundin

Ein Schatz aus meiner Kindheit

Nichts ist nur gut oder nur schlecht. Ich möchte eine positive Erfahrung aus dieser ganzen Corona-Situation mitteilen. Ich hatte eine Freundin, als ich 20 oder 21 war, und sie litt auch an einer Essstörung.  Ich bin mir sicher, dass ich schon einmal über sie geschrieben habe. Wir trafen uns ca. 1981 in einer Therapiegruppe in New York City.  Die anderen Frauen in der Gruppe hatten wieder angefangen zu essen und nahmen an Gewicht zu, aber wir beide waren immer noch zu stolz auf unsere hervorstehenden Schlüsselbeinknochen, und begriffen ihren "Fortschritt" nicht. Wir verließen die Gruppe und wurden beste Freundinnen.  Wir haben viel telefoniert. Es war für uns beide eine wichtige Stütze. Zu jeder Tages- und Nachtzeit riefen wir uns gegenseitig an.  Die meiste Zeit war die andere Person wach.  Wenn nicht, war es egal. Sie wachte auf.

Jetzt spulen wir bis etwa 40 Jahre später vor. Wir sind beide gesund, beide erkennen, dass ein Bewusstsein für unseren Körper immer da sein wird. Ich glaube nicht, dass das jemals verschwinden wird. So ist es. Aber das ist okay. Zu Beginn der COVID-Pandemie fühlte sie sich überwältigt von der ganzen Situation. Also fragte sie mich, ob wir jeden Sonntag telefonieren könnten. Ich sagte: "Sicher." Als sie mich fragte, fühlte ich mich gut und stark. Ich wollte ihr gerne dabei helfen, das durchzustehen. Das ist eine Rolle, in der ich mich wohl fühle. Ich bin gerne die „Starke“. Ich mag es nicht, bedürftig zu sein.

Aber im Laufe von zweieinhalb Jahren können sich die Dinge ändern. Ich hatte meine Höhen und Tiefen, und sie hatte auch die ihren. Es war so schön zu reden. Seitdem meine Katze gestorben ist und ich trauere, ist sie besonders unterstützend und hilfsbereit. In letzter Zeit telefonieren wir auch während der Woche. Meine Tochter heiratet im Herbst. Da gibt es viel zu besprechen. Meine Freundin ist eine Art "Adoptivtante" für meine Tochter und wird bei der Hochzeit dabei sein.

Erst neulich fiel mir ein, wie wir als junge Frauen so viel miteinander telefonierten. Wir waren all die Jahre befreundet, aber unsere Freundschaft hatte durch die Entfernung etwas an Intensität verloren, weil ich in Europa lebe und sie im Westen der USA lebt. Es ist schön, wieder eine tiefe Verbundenheit zu spüren. Dafür bin ich wirklich dankbar. In letzter Zeit wusste ich nicht, was mit mir los ist, aber fühlte mich total verwirrt. Sie erinnerte mich daran, dass ich immer noch trauere oder einfach von allem überwältigt bin. Das war sehr hilfreich. 

Die häufigen Telefonate in letzter Zeit erinnern mich an die gute alte Zeit, als wir jeden Abend geredet haben und uns jede Woche öfter trafen. Früher war sie irgendwie die „Wilde“, und ich war die "Vernünftige", und ich hatte das Gefühl, dass ich ihr Ratschläge geben musste oder dass ich es besser wusste. Als wir unsere Telefonate am Sonntagabend begannen, fühlte ich, dass ich für sie da sein könnte, so wie früher. Aber im Laufe der Zeit war es so, dass wir füreinander da waren.  (So war es damals auch, aber ich habe es einfach ausgeblendet.)  Die regelmäßigen Telefonate entstanden aus ihrer Not heraus, aber in der Zwischenzeit unterstützen wir uns gegenseitig. Was für ein Unterschied, häufig zu reden, anstatt nur einmal im Jahr während eines Besuchs alles zu erzählen!

Ich mache eine schwere Zeit durch und hatte einige schwierige Situationen, und sie war und ist eine unglaubliche Quelle der Unterstützung für mich. Es war eine ganz neue Erfahrung, mich zu öffnen und ihre Unterstützung annehmen zu können, weil ich sonst immer so stark war und alles mit mir selbst ausmachen wollte. Ich brauchte niemanden, und ich hörte nicht einmal zu, wenn mir jemand etwas sagen oder vorschlagen wollte.  Es ist also ein echter Lernprozess. Wie gesagt, es gibt positive Aspekte zum COVID-Kapitel. Ich entscheide mich dafür, mich auf das zu konzentrieren, was sich zum Besseren verändert hat. Ich habe die Wahl. Das andere ist sowieso da und nimmt genug Raum ein.

Knapp bei Kassa als Motivation

Irgendwann, irgendwo habe ich ein Mantra gelesen und notiert: Om Namah Shivaya. Es bedeutet so viel wie „Betet und bietet den Shiva an. Sein Blick zerstört negative Gewohnheiten und Überzeugungen. Er kann die Gesetze des Schicksals ändern und karmische Bindungen brechen." Das war genau das, was ich heute brauchte!

Derzeit kommt es bei vielen vor, dass sie (hoffentlich vorübergehend) knapp bei Kassa sind. In diesem Sinne, was gibt’s Besseres als eine Liste aller Dinge, die ich tun kann, ohne Geld auszugeben, zu schreiben? Es ist auch gut im Sinne der Nachhaltigkeit.

Meine Liste:
•	alte Nähstoffe aufbrauchen 
•	Singen und Gitarre üben
•	alle Lebensmittel in der Speisekammer und im Küchenschrank aufbrauchen
•	ausgiebiger Sommerputz
•	diverse Schreibprojekten
•	alte Ordner durchschauen und ausmisten
•	im Wald spazieren gehen
•	Tanzen in der Wohnung

Die ersten beiden Elemente sind klar. Für das Essen nahm ich Inventar und plante einige Mahlzeiten, die ich damit zubereiten kann. Natürlich ist es notwendig, frisches Obst, Gemüse und Brot zu kaufen, aber ich kann es auf ein Minimum beschränken. Die Schreibprojekte sind einerseits neue Ideen, aber auch Seiten und Papierfetzen mit Gedicht- und Liedideen, die sich in einem Notizbuch für "irgendwann, wenn ich dazukomme" gesammelt haben. Der Sommerputz muss noch genauer beschrieben werden.

Meine Liste für den Großputz ist sehr ausführlich. Eine lange, detaillierte Liste bedeutet, dass es noch mehr zum Abhacken gibt. Wenn die Motivation eher gering ist, wird die Liste proportional detaillierter, z.B. „obere Schublade im Schlafzimmerkommode“. Dadurch ist ein schneller Erfolg in motivationsarmen Zeiten garantiert – und unerlässlich, denn sonst geht gar nichts vorwärts.

Im Wald spazieren und Tanzen in der Wohnung mache ich eh schon. Jetzt könnte ich beide etwas öfter machen, und vielleicht noch eine Freundin dazu einladen. Das ist auch eine schöne Art, Zeit miteinander zu verbringen.

Disziplin
Ich bin erstaunt, wie viel Disziplin erforderlich ist, um die größeren Aufgaben zu beenden, weshalb ich kleinere Schritte vorziehe – wie bei der Liste für den Sommerputz. Es ist verlockend, ein paar Details "für später" zu lassen, vor allem wenn ich müde und hungrig werde. Dann muss ich eine Pause machen und darf noch nicht abhacken!

Es ist eine zarte Balance: motiviert zu bleiben, ruhig und effizient zu arbeiten, das große Ganze zusammen mit dem Ziel-Termin im Blick zu behalten, aber auch das Tempo zu akzeptieren. Ich habe es nicht eilig und möchte den Prozess wirklich genießen. Am Ende des Tages bewundere ich die getane Arbeit. Dann denke ich darüber nach, was der nächste Schritt sein wird.

Teilweise um Geld zu sparen, aber auch um Verschwendung zu vermeiden, ist jetzt eine gute Zeit zum Essensvorräte aufbrauchen. Es fordert mich, kreativ zu sein und teilweise neue Rezepte zu erfinden, und hilft dabei zu verhindern, dass Lebensmittel ablaufen. Das mache ich in regelmäßigen Abständen, egal ob ich Geld sparen will oder nicht. So ist es mir gelungen, den Kühlschrank und die Tiefkühltruhe fast zu leeren und dann abtauen und gründlich putzen. Jetzt sehen beide so frisch und neu aus!

Anderen helfen

Das Leben hat mir reichlich Gelegenheit geboten zu entdecken, dass ich niemandem "helfen" oder ändern kann, um auf den Weg zu bringen, von dem ich denke, dass er gut für ihn wäre. Durch das Erlernen dessen ist ein Gefühl der Gelassenheit entstanden. Es ist eine angenehme Erfahrung, sich zurückzulehnen und einfach zu beobachten, wie sich jemand entwickelt und seinen Weg findet – sei es das eigene Kind, ein Elternteil, ein Geschwister oder eine Freundin. Wir müssen nicht ständig Ratschläge geben. Manchmal müssen wir einfach nur da sitzen und zuhören und da sein, vielleicht ein paar Fragen stellen – vorzugsweise Fragen ohne Hintergedanken. Dann kann dieses Wachstum eine schöne Sache sein, die man erleben oder bezeugen kann, und ich denke, das ist auch Liebe.