Wehmut und wo die Seele is(s)t

Ich bereitete mich auf eine Tagung vor und hoffte, dass Kathrin wieder hingehen würde. Vor zwei Jahren hatten wir uns beim Kongress kennengelernt. Wir verbrachten jede Pause zusammen. Zwei hatten sich gefunden. Letztes Jahr war ich leider verhindert und konnte nicht teilnehmen.

Wenige Tage vor dem diesjährigen Kongress, erhielt ich den Tipp, folgende Sendung anzusehen — mit dem Hinweis, dass meine Musik auch vorkommt. Das freute mich natürlich. Nur wusste ich nicht, zu welchem Anlass.

http://www.dorftv.at/videos/bravoinktv/8053

Tja, ich denke immer positiv und glaube fest daran, dass jemand gesund werden kann. Aber manchmal geht es doch anders aus als wir es uns wünschen. Eine tiefe Trauer machte sich in mir breit, als ich von ihrem Tod erfuhr. Mehr dazu möchte ich heute nicht sagen. Ein anderes Mal.

 

Hilfe ich kann nicht mehr

Diese Phrase erscheint immer wieder bei den Suchbegriffen und heute fällt mir ein, dass dabei etwas ganz Wesentliches fehlt: „Ich kann nicht mehr…so wie bisher.“

Ich nehme an, diese Phrase ist in Verbindung mit einer Essstörung zu verstehen, aber im Prinzip ist es egal, in welchem Zusammenhang. An den Punkt zu gelangen, an dem ich das Gefühl habe: „So geht es nicht weiter. Ich kann nicht mehr,“ birgt in sich eine große Chance. Denn ich sehe es so: An dem Punkt habe ich mir endgültig bewiesen, dass ich es nicht ganz alleine und mittels „Augen zu und durch“ schaffen kann. Sonst hätte ich es ja längst getan!

Das ist der entscheidende Moment, wo ich fragen kann: Wie geht es weiter? Was habe ich für Möglichkeiten? Was bzw. wer steht mir zur Verfügung? Welche Kräfte kann ich mobilisieren — die eigenen oder die der anderen? Wie hätte ich es gerne? Wie stelle ich es mir vor, dass es mir passen würde? Das sind wirklich ganz wichtige Fragen!!

So lange ich mir nur vorstelle, was ich NICHT will, bleibt viel Raum für Angst und Unsicherheit. Da haben wir das altbekannte Phänomen: Lieber das vertraute Leiden als unbekanntes Glück. Dann ist ein erster Schritt, meine Wünsche und Vorstellungen möglichst genau auszumalen. Ob sie in Erfüllung gehen, kann ich nicht sagen, aber durch diese Konkretisierung steigt die potentielle Möglichkeit um ein Vielfaches!

Die Kurzfassung: Krise als Chance. Ich checke die Lage, überlege was ich will oder brauche, und dann welche Hilfe ich mir organisieren kann um es anzugehen. Damit beweise ich mir und anderen (falls Bedarf besteht), dass ich recht klug und erfinderisch bin! 🙂 Was ich keinesfalls tue: Alleine bleiben und mir abverlangen, alles alleine zu meistern.

Durchhaltevermögen ist eine Angelegenheit der kreativen Gestaltung. Ich setze es dann ein wenn ich weiß: Es sind ganz viele kleine Schritte notwendig und ich muss es aushalten, dass Veränderung nicht von heute auf morgen passiert. Da ist meine Kraft gut investiert!

Fernseh Interview

Gerade komme ich von einem Interview über meine Bücher. Natürlich fiel mir auf dem Heimweg alles ein, was ich noch oder lieber sagen wollte, aber die Aufregung (mein erstes TV Interview!) und die Zeitknappheit sind starke Einflußfaktoren.

Na ja, in meinen Büchern steht die Geschichte geschrieben — wie ich die Krankheit erlebte und mich davon befreite. Was hätte ich noch sagen wollen? Dass die Krankheit eine sehr einsame Geschichte ist, dass sie irrsinnig viel Kraft erfordert. Betroffene sind unglaublich starke Einzelkämpferinnen. Die Einsicht in die Krankheit, in die Entstehungsgründe, auch in die Gefahren, das alles nützt nicht viel. Die meisten wissen Bescheid über ihre Krankheit und ihre Geschichte — warum und weshalb — und stecken trotzdem fest.

Was wir brauchen ist die Bereitschaft, etwas von unserem Panzer abzulegen, Leute an uns heran zu lassen, die uns helfen können. Das hat nichts mit Schwäche zu tun und wir geben dabei keine Selbstverantwortung ab. Sie können uns nur helfen, uns selbst zu helfen. Keine/r wird uns heilen. Das machen wir selbst.

Ich wollte noch betonen, wie wichtig die Ressourcen sind: Eltern, Lehrer, Freunde, Verwandten, Nachbarn. Auf der Achterbahnfahrt wird mir immer wieder klar: Ich habe alles, was ich brauche, ich muss es nur anwenden. Damals stand die Annonce für Gruppentherapie in der Zeitung. Ich musste nur die Zeitung aufblättern, schauen und anrufen. Menschen mit denen ich reden kann, sind immer da. Ich arbeite mit dem, was ich habe.

Einige Leserinnen erzählen, dass sie sich im Buch immer wieder finden. Manche Situationen, Gedanken, Ängste, Unsicherheit, Selbsthass — die kennt jeder. Und doch ist es möglich, über diese Hindernisse hinüber zu steigen. Ängste, Unsicherheit und Selbsthass können in Vertrauen, Sicherheit und Selbstliebe verwandelt werden. Wir können lernen, mit schwierigen Situationen anders umzugehen, als uns die Schuld zu geben oder durch eine Fressattacke uns selbst zu bestrafen.

Die Lebensbedingungen ändern sich nicht, sondern mein Umgang damit ist anders. Das sind die Bewältigungsstrategien, die ich so gerne erwähne. Wie gehe ich damit um? Das ist ausschlaggebend.

Ich wollte erwähnen wie stark, einfallsreich, kreativ und intelligent Bulimiekranke und Magersüchtige sind. Sie schaffen es immer wieder, heimlich zu fressen und nicht erwischt zu werden. Sie muten sich niemandem zu sondern werden alleine damit fertig. Sie arbeiten, studieren, ziehen Kinder groß und noch vieles mehr — alles nebenbei, denn die Krankheit verlangt viel. Mir geht es darum, diese persönlichen Ressourcen bewusst zu machen. Es stehen viel Energie und Kraft zur Verfügung, die für eine Gesundung nützlich sind.

Vielleicht ist das Allerschwierigste nur das: sich einzugestehen, dass ich alleine nicht weiter komme. Dafür muss ich mich nicht schämen oder meinen, ich bin zu blöd dazu. Nein. Hilfsmöglichkeiten sind vorhanden und warten nur darauf, mir behilflich zu sein.

Oder ist das Allerschwierigste, dem Leben wieder Vertrauen zu schenken? Es zu riskieren, trotz großer Verletzung und/oder Enttäuschung, an sich und an das Leben wieder zu glauben. Das erfordert unheimlich viel Mut.

Das war’s, glaube ich. 🙂

P.S. Es wird im Oktober gesendet. Ich gebe euch noch rechtzeitig Bescheid.