Gerade komme ich von einem Interview über meine Bücher. Natürlich fiel mir auf dem Heimweg alles ein, was ich noch oder lieber sagen wollte, aber die Aufregung (mein erstes TV Interview!) und die Zeitknappheit sind starke Einflußfaktoren.
Na ja, in meinen Büchern steht die Geschichte geschrieben — wie ich die Krankheit erlebte und mich davon befreite. Was hätte ich noch sagen wollen? Dass die Krankheit eine sehr einsame Geschichte ist, dass sie irrsinnig viel Kraft erfordert. Betroffene sind unglaublich starke Einzelkämpferinnen. Die Einsicht in die Krankheit, in die Entstehungsgründe, auch in die Gefahren, das alles nützt nicht viel. Die meisten wissen Bescheid über ihre Krankheit und ihre Geschichte — warum und weshalb — und stecken trotzdem fest.
Was wir brauchen ist die Bereitschaft, etwas von unserem Panzer abzulegen, Leute an uns heran zu lassen, die uns helfen können. Das hat nichts mit Schwäche zu tun und wir geben dabei keine Selbstverantwortung ab. Sie können uns nur helfen, uns selbst zu helfen. Keine/r wird uns heilen. Das machen wir selbst.
Ich wollte noch betonen, wie wichtig die Ressourcen sind: Eltern, Lehrer, Freunde, Verwandten, Nachbarn. Auf der Achterbahnfahrt wird mir immer wieder klar: Ich habe alles, was ich brauche, ich muss es nur anwenden. Damals stand die Annonce für Gruppentherapie in der Zeitung. Ich musste nur die Zeitung aufblättern, schauen und anrufen. Menschen mit denen ich reden kann, sind immer da. Ich arbeite mit dem, was ich habe.
Einige Leserinnen erzählen, dass sie sich im Buch immer wieder finden. Manche Situationen, Gedanken, Ängste, Unsicherheit, Selbsthass — die kennt jeder. Und doch ist es möglich, über diese Hindernisse hinüber zu steigen. Ängste, Unsicherheit und Selbsthass können in Vertrauen, Sicherheit und Selbstliebe verwandelt werden. Wir können lernen, mit schwierigen Situationen anders umzugehen, als uns die Schuld zu geben oder durch eine Fressattacke uns selbst zu bestrafen.
Die Lebensbedingungen ändern sich nicht, sondern mein Umgang damit ist anders. Das sind die Bewältigungsstrategien, die ich so gerne erwähne. Wie gehe ich damit um? Das ist ausschlaggebend.
Ich wollte erwähnen wie stark, einfallsreich, kreativ und intelligent Bulimiekranke und Magersüchtige sind. Sie schaffen es immer wieder, heimlich zu fressen und nicht erwischt zu werden. Sie muten sich niemandem zu sondern werden alleine damit fertig. Sie arbeiten, studieren, ziehen Kinder groß und noch vieles mehr — alles nebenbei, denn die Krankheit verlangt viel. Mir geht es darum, diese persönlichen Ressourcen bewusst zu machen. Es stehen viel Energie und Kraft zur Verfügung, die für eine Gesundung nützlich sind.
Vielleicht ist das Allerschwierigste nur das: sich einzugestehen, dass ich alleine nicht weiter komme. Dafür muss ich mich nicht schämen oder meinen, ich bin zu blöd dazu. Nein. Hilfsmöglichkeiten sind vorhanden und warten nur darauf, mir behilflich zu sein.
Oder ist das Allerschwierigste, dem Leben wieder Vertrauen zu schenken? Es zu riskieren, trotz großer Verletzung und/oder Enttäuschung, an sich und an das Leben wieder zu glauben. Das erfordert unheimlich viel Mut.
Das war’s, glaube ich. 🙂
P.S. Es wird im Oktober gesendet. Ich gebe euch noch rechtzeitig Bescheid.