Bulimie Selbstmord

Dieser Suchbegriff ist einer der häufigsten und heute will ich etwas dazu sagen. Als ich noch krank war, meinte ich, die Bulimie wäre Selbstmord auf raten. Das habe ich auch schon bei anderen Blogs gelesen. Ich schleppte mich von Tag zu Tag, überzeugt, dass ich einfach zu feig war, das Ganze ein Ende zu setzen.

Heute weiß ich, dass das nicht stimmt. Im Gegenteil. Ich hatte immer die Hoffnung, es würde sich zum Positiven wenden. Aber damals traute ich mich nicht, daran zu glauben. Da mein Selbstwert so weit unten war, fiel es mir schwer, an mich und das Leben zu glauben. Außerdem, wollte ich nicht zugeben, dass ich Hoffnung hatte, für den Fall, dass es sich nicht lohnt. Ich meine, ich wollte ja nicht blöd da stehen und mich bloß stellen. Nein, lieber eine negative — aber sichere — Einstellung.

Die Hoffnung ist da. Heute bin ich fest davon überzeugt: Jede Person mit einer Essstörung hofft, gesund zu werden und ihr Leben zu genießen. Sie hofft auf die große Wende.

Jede Transformation fängt klein an. Sie ist das Ergebnis unzähliger Augenblicke. Es geht nicht darum, etwas aufzugeben, sondern darum, etwas Neues aufzubauen. Mir gefällt der Vergleich mit Autobahnen im Gehirn. Wir fahren mit unserem Verhalten auf die Straßen die wir kennen. Veränderung heißt: neue Straßen bauen! Zuerst sind sie nur unklare, schwer erkennbare Wanderwege. Doch wenn wir immer wieder die neuen Wege benützen, werden sie zunehmend vertraut. Mit der Zeit, entsteht eine richtige Straße. Und irgendwann sogar eine neue Autobahn!

Heute basiert mein Verhalten weitgehend auf die neuen Autobahnen, aber die alten sind noch verhanden. Das sind die alten Muster, die immer wieder auftauchen, wenn ich müde, schwach oder unsicher bin. Dann greife ich manchmal auf Altvertrautes zurück — auch wenn ich es eigentlich besser wissen würde. Aber es gilt heute genauso wie damals als ich gesund wurde: Die alten Muster sind ein Warnsignal. Achtung: etwas stimmt nicht! Ich muss mehr daruf schauen, wie ich mit mir umgehe.

Nein, es sind nicht die alten Essensmuster die auftauchen, aber es gibt noch genug andere Sachen. Zum Beispiel, wenn ich unsicher bin, dass ich plötzlich an meine Fähigkeiten und Kompetenzen zweifele. Oder jemand schaut mich schief an und ich meine: Ich habe etwas falsch/zu wenig gut gemacht. Dann hilft es, mit einer guten Freundin darüber zu reden, die mich wieder aufbaut. Manchmal komme ich gleich selber darauf und führe ein klärendes, aufbauendes Selbstgespräch.

Noch einmal: Bulimie ist für mich kein Selbstmord. Sie ist vielmehr der Versuch, mit unerträglichen Dingen fertig zu werden. Irgendwann verselbständigt sie sich, obwohl man inzwischen Gelegenheit hätte, effektivere Bewältigungsstrategien zu entwickeln. Dazu kam mir die Psychotherapie zur Hilfe. Ich holte die Entwicklung nach und lernte, mich dem Leben zu stellen und den Herausforderungen anders zu begegnen. Ich entwickelte Selbstvertrauen und Mut. Das Leben fing neu an. Der Prozess dauerte ziemlich lange — genau so lange wie nötig.

Heute sind es andere Herausforderungen und die Entwicklung geht weiter. Das ist ein lebenslanger Prozess. Er ist manchmal schön und manchmal mühsam. Wie das Leben so ist. Ich bin immer noch dankbar dafür, dass ich mit voller Kraft agieren kann — mit der Kraft, die mir im Augenblick zur Verfügung steht.

Und jetzt gehe ich schlafen, da ich morgen eine große Prüfung habe. Das hat sich nicht verändert — vor einer Prüfung, fällt mir alles andere ein und auf, was ich machen könnte. Wäsche waschen, aufräumen, ausmisten, telefonieren, bloggen…nur nicht lernen! Aber es sehe es nicht mehr so negativ. Auch Pausen und Erholung sind eine gute Vorbereitung!

3 Antworten zu “Bulimie Selbstmord

  1. Hallo, ich bekomme ja von dir regelmäßig nachrichten, die ich immer sehr gerne lese. Ich wollte dich nun was Fragen: Schreibst du eigentlich auch Bücher?

    Wir haben nämlich einen Verlag und da wollte ich dir anbieten, dass wir gerne mit dir Bücher schreiben würden. Wir sind ein Verlag, der sich auf Autobiografien spezialisiert hat, von Menschen, die eine Sucht oder schwere Phase überstanden hat.

    Hättest du Interesse? Meine Homepage http://www.bravo-ink.atinfo@bravo-birgit.at – Tel. 0043-699-12708004

    Ich freue mich sehr auf deine Antwort! Bravo Birgit

  2. manchmal ist bulimie auch einfach nur der verzweifelte versuch, lebendig zu sein…

    dieser gedanke kommt mir häufig in den sinn, wenn es nach langen hungerphasen plötzlich wieder umschwingt, oder wenn man einen schmerz mit einem anderem überdecken will oder wenn man auch nur irgendein einziges gefühl hervorholen will durch das kotzen, wo sonst alles nur betäubt ist, aus selbstschutz…

    bulimie ist vlt auch vielmehr ein ringen zwischen beidem: leben oder nicht leben. essen oder nicht essen (also kotzen). (lebens)energie zufügen oder (lebens)energie entziehen…

    • Das hast du treffend beschrieben. Damals sind meine Hoffnung und mein Vertrauen ziemlich zerstört worden — von außen. Dieser Schock saß tief und es dauerte viele Jahre bis ich verstanden habe, dass ich selbst agieren kann und nicht mehr das hilflose, ausgelieferte junge Mädchen von damals war. Wenn das Vertrauen aber einmal erschüttert ist, braucht es Zeit, Unterstützung und aufbauende Erlebnisse, die einem helfen, das Vertrauen wieder aufzubauen — und zwar GANZ VIELE aufbauende, bestätigende Erlebnisse! Die alten Erinnerungen werden nie gelöscht, aber durch die neuen habe ich gelernt, dass es gut gehen kann. Meistens. Natürlich ist immer ein Risiko dabei, da ich vorher nie weiß, was kommen wird. Inzwischen vertraue ich, dass auch die eher unangenehmen Sachen mir in meiner Entwicklung weiterhelfen.

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